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EU-Asien

Die neue EU-Handelsstrategie und Asien

EU Trade Policy Review – wer profitiert in Asien?

Mit „Trade Policy Review – An Open, Sustainable and Assertive Trade Policy“ legte die Europäische Kommission der Europäischen Union (EU) am 18. Februar 2021 eine Überarbeitung ihrer handelspolitischen Strategie vor. Dies geschieht circa alle fünf Jahre, und das Timing ist dieses Mal gut:

  • Die Brexit-Briten haben sich mit der EU endlich auf ein Handelsabkommen geeinigt (wenngleich noch nicht aktiv)
  • Die USA werden mit dem Demokraten Joe Biden wieder von einem EU-freundlichen Präsidenten regiert, ja sogar von einem Transatlantiker
  • Mit China hat die EU das von Deutschland maßgeblich vorangetriebene und seit vielen Jahren verhandelte Investitionsabkommen beschlossen.
  • Chinas Staatskapitalismus und rasches Wachstum fordert den regelbasierten Ansatz der EU heraus.
  • Die Bewältigung der Corona-Krise, Klimawandel und Digitalisierung sind auch für die Handelspolitik zentrale Themen.
  • Das „Umfassende und fortschrittliche Abkommen für die Trans-Pazifische Partnerschaft“ (CPTPP) sowie „Regionale Umfassende Wirtschaftspartnerschaft“ (RCEP) setzen die EU unter Handlungsdruck.

Die Handelspolitik ist das stärkste Machtinstrument der EU in der internationalen Politik. Statt Kakophonie spricht die EU hier mit einer Stimme.

Was ist neu an der Strategie, und was für eine asien- und chinahandelspolitische Dimension hat sie? Das Papier ist 22 Seiten lang und ist wie gewohnt komplex. Deshalb legt die kurze Analyse auf Asienpolitik.de zunächst gemäß des Ausschlussprinzips dar, was in dem Dokument asienpolitisch weniger präsent auftaucht, oder sogar gar nicht.

Kein Schwerpunkt auf Asien und ASEAN

Ein interregionales Handelsabkommen mit ASEAN steht nicht mehr auf der EU Agenda.

In den bisherigen handelspolitischen Strategien war immer ein Schwerpunkt auf die asiatischen Wachstumsmärkte. Obwohl auch in Zukunft das größte Wirtschaftswachstum in Asien stattfindet, legt die EU diesmal keinen Schwerpunkt auf die Großregion. Die EU hat mit den wichtigsten asiatischen Partnern bereits anspruchsvolle und moderne bilaterale Handelsverträge abgeschlossen (Südkorea, Japan, Vietnam, Singapur), die jederzeit weiter entwickelt werden können. Insgesamt hat die EU 46 aktive Handelsabkommen mit 78 Staaten. Verhandlungen mit weiteren Ländern des ASEAN-Verbunds (Thailand, Indonesien, Malaysia, …) laufen im Hintergrund. Allerdings kommt der Begriff ASEAN kein einziges Mal in der Strategie vor und ein interregionales Handelsabkommen steht damit derzeit wohl nicht im Raum.

Bisher hat die EU die Verhandlungen mit einzelnen ASEAN-Staaten immer damit begründet, dass sie Bausteine für ein zukünftiges interregionales Abkommen seien.

Ein interregionales Abkommen zwischen ASEAN und der EU konnte bisher nicht erzielt werden.

Allerdings hat die EU mit ASEAN gerade erst eine strategische Partnerschaft beschlossen, während die Connectivity-Strategie der EU aus 2018 ebenfalls einen ASEAN-Schwerpunkt setzt.

Die EU wendet sich handelspolitisch stark seiner Nachbarschaft und vor allen Dingen Afrika zu. Während früher noch in dem einen anderen EU-Papier vom effektiven Multilateralismus mit China in der Afrikazusammenarbeit gesprochen wurde, kommt China in der europäischen Afrika-Vision diesmal nicht vor.

Auch China diesmal nicht im Zentrum

China ist in der Handelsstrategie weniger prominent, als man es vielleicht erwartet hätte. Kein Wort von systemischer Rivalität wie noch 2019 im EU-China-Strategiepapier. Trotzdem formuliert die Kommission deutlich, dass „the rise of China … has fundamentally changed the global and political order. This poses increasing challenges for the established global economic governance system and affects a level playing field for European companies competing globally and at home“ (Trade Review:2).

Die neue Handelsstrategie betrachtet China als eine von fünf großen Herausforderungen des Jahrzehnts. Die etwas konkretere Connectivity-Strategie von 2018 bezüglich regelbasiertem Handel stellt bereits eine direkte Antwort auf Chinas Staatskapitalismus dar, die derzeit Gestalt annimmt. Ohnehin bietet die 2019er China-Strategie sowie die EU-China-Partnerschaft reichlich bilaterale Anknüpfungspunkte für eine Debatte über regelbasierten Handel.

Über Gleichgesinnte und regionale Partnerschaften zu einer offenen strategischen Autonomie

Offen, nachhaltig, und bestimmt. So soll die EU-Handelsstrategie für dieses Jahrzehnt sein. Die Herausforderungen sind:

  • Globalisierung und technologische Entwicklung
  • China mit seinem Staatskapitalismus
  • Der verstärkte Klimawandel
  • die digitale Transformation
  • die Bewältigung der COVID-19 Pandemie

Die EU geht davon aus, dass bereits in 2024 85% des weltweiten Wirtschaftswachstums von außerhalb der EU kommt. Insbesondere Chinas Wachstum wird nach Zahlen der OECD mit 4.7% jährlich weiter nach oben gehen. Die EU mit jährlich erwarteten 1.4% Wachstum in den nächsten zehn Jahren fällt da stark ab (siehe Schaubild unten).

Das Wirtschaftswachstum findet in Asien statt

35 Millionen Arbeitsplätze in der EU sind exportabhängig. Im Jahr 2000 waren es noch 20 Millionen.

Noch immer ist die EU allerdings der weltweit größte Handelsakteur. In 2019 hat der Block Waren und Dienstleistungen im Wert von EUR €3.1 Billionen aus-, und im Wert von EUR €2.8 Billionen eingeführt. Für immerhin 74 Staaten ist die EU der wichtigste Handelspartner. China ist für 66 Staaten, die USA für 31 Staaten der wichtigste Handelspartner.

Die EU ist wichtigster Handelspartner Asiens, Afrikas, der Vereinigten Staaten, sowie in seiner regionalen Umgebung (der „Nachbarschaft“). Insbesondere hier möchte die EU ihren regulativen Ansatz stärken: Die EU möchte ihre Nachbarschaft nicht nur krisenfest, sondern auch „chinafest“ machen.

Offene strategische Autonomie

Offene und strategische Autonomie – wer sich das wohl ausgedacht hat?

Um auch in Zukunft Regeln mitzubestimmen, und nicht von den Großmächten diktiert zu bekommen, strebt die Kommission eine offene strategische Autonomie an. Diese betont die Fähigkeit der EU, unabhängig Entscheidungen zu treffen und die Welt durch Engagement und Führung zu formen, und zwar auf Basis strategischer europäischer Interessen und Werte. Mehr Kooperation mit gleichgesinnten Partnern ist dafür unabdingbar.

„Wehrhaftigkeit“ in der Handelspolitik gegenüber unfairen Praktiken wird immer wichtiger. Die EU möchte sich als globaler Leader eines reformierten regelbasierten Systems globaler trade governance positionieren, und zwar durch

  • Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit
  • Nachhaltigkeit und Fairness
  • Durchsetzungsfähigkeit und regelbasierter Zusammenarbeit

Die transatlantische Partnerschaft ist zentral wichtig für die Reform der Welthandelsorganisation (WTO). In der EU besteht die Hoffnung, dass die USA die WTO wieder mehr wertschätzen als unter Trump. Die EU hat das klare Ziel, die schlaffe WTO wieder flott zu machen als das zentrale handelspolitische Forum.

Mit China möchte die EU vor allem eine faire und regelbasierte Wirtschaftsbeziehung anstreben.

Partnerschaften mit gleichgesinnten Partnern weltweit und insbesondere mit Afrika und in der europäischen Nachbarschaft sind Schlüssel zur strategischen Autonomie.

Die alte Triade aus den 1980ern – in 2030 von China abgehängt?

Schwerpunkte mit asienpolitischer Bedeutung

  • vom wiederentdeckten Markenkern der EU-Handelspolitik, dem Multilateralismus im WTO-Rahmen, könnte Taiwan besonders profitieren, aber auch Indien und weitere Staaten, die nicht so stark in bi- oder plurilateralen Handelsvereinbarungen involviert sind.
  • Asiatische Staaten, die Menschenrechte, Nachhaltigkeit in den Lieferketten und weitere normative Regeln beachten, dürften profitieren.
  • Die EU möchte Menschenrechte in den Lieferketten besser schützen. Dazu gehören auch Arbeits- und Umweltschutz.
  • Gleichgesinnte Partnerstaaren dürften auch von Kooperationsprojekten in modernen Technologien und im digitalen Bereich profitieren. Das dürfte wiederum Japan, Südkorea, Taiwan und Singapur nutzen.
  • Mit Australien und Neuseeland möchte die EU die laufenden Handelsvertragsverhandlungen abschließen.
  • Defensive Handelsinstrumente gewinnen an Bedeutung (Trade Defence Instruments, Investitionsregulierungen in die EU, Exportkontrollen, Schaffung eines „Chief Trade Enforcement Officer“). Das dürfte sich auch gegen China richten.
  • Die EU möchte insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen besser unterstützen. Dies könnte auch Partnerschaften mit Unternehmen Ostasiens zugute kommen
  • Länder Asiens, die Beiträge zur grünen und digitalen Transformation der EU-Wirtschaft leisten können, und an einer regelbasierten Ordnung interessiert sind, dürften profitieren
  • Die EU ist stark daran interessiert, Regelwerke in der digitalen Ökonomie zu entwickeln. Kooperationsbereite gleichgesinnte Partnerstaaten könnten davon ebenfalls profitieren

EU Trade Policy Review – in einem Satz

Die EU-Handelspolitik soll die grundsätzlich grüne und digitale Transformation der EU-Wirtschaft flankieren, sowie eine nachhaltige und faire Globalisierung basierend auf modernen Regeln und stärkerer Durchsetzungsfähigkeit seitens der EU ermöglichen.

 

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