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China und die Welt

ASEAN ist erstmals Chinas wichtigster Handelspartner

ASEAN verdrängt die EU im ersten Halbjahr 2020 vom Spitzenplatz

Erstmals in der Geschichte des südostasiatischen Staatenverbunds ASEAN ist dieser Chinas wichtigster Handelspartner. Der ASEAN-China-Handel 2020 wird den der Europäischen Union (EU) mit China übersteigen. Viele Jahre hatte die EU den Spitzenplatz inne, doch im ersten Halbjahr 2020 hat ASEAN die EU vom Spitzenplatz verdrängt. Der Handel der zehn südostasiatischen Staaten ist um zwei Prozent auf $297,8 Milliarden gestiegen. Damit macht China nun 14,7% seines Handels mit ASEAN. Der Handel Chinas mit der EU ist um fünf Prozent auf rund $284 Milliarden geschrumpft (14%). Zwar spielen Brexit und die Pandemie eine große Rolle, allerdings wird nur eine Entwicklung vorweggenommen, die sowohl strukturelle als auch akteursspezifische Gründe hat.

Einer von vielen Häfen entlang der Küste von Guangdong und Shenzhen

ASEAN-China-Handel 2020: Gründe für die Dynamik

Wenn wir die Entwicklung im gegenwärtigen Handel ASEANs mit China besser verstehen wollen, bietet sich eine Unterscheidung in strukturelle sowie in akteurszentrierte Trends an. Strukturell spricht einiges dafür, dass der ASEAN-China-Handel langristig betrachtet stark zunimmt. Strukturelle Faktoren sind:

  • die geografische Nähe. China war historisch die Zentralmacht im südchinesischen Meer und wächst wieder in diese Rolle hinein
  • ethnische Nähe: Viele Chinesen leben in Südostasien und bilden, immer wieder neu, ein „Bamboo Network“, ein dynamisches, ambitioniertes informelles Netzwerk
  • eine immer noch dynamische Demografie in ASEAN, während Europa altert
  • hohe wirtschaftliche Komplementarität: Rohstoffe (Palmöl, Bodenschätze, Holz) und Halberzeugnisse als Exportgüter nach China, chinesische Konsumgüter für ASEAN, etc.
  • Freihandelsvertrag ASEAN-China (ASEAN China Free Trade Agreement ACFTA), seit 2010 aktiv. Dieser wurde erst im Oktober 2019 vertieft (Ursprungsregeln, Zahlungsverkehr, Investitionen, Dienstleistungen, usw.)

Akteurszentrierte Faktoren für die Dynamik im ASEAN-China-Handel 2020 sind:

  • Der Handelskrieg zwischen den USA und China. Die USA machen für China nur noch 11,5 Prozent im Gesamthandel aus, nachdem dieser im ersten Halbjahr um zehn Prozent geschrumpft ist
  • China verlagert sensible Lieferketten zügig nach ASEAN (Vietnam, Malaysia, Singapur) und investiert verstärkt in den Elektroniksektor, um Zollstrafen durch die USA zu entgehen; Halbleiter sind ein zentrales Erfolgsprodukt (und nicht gerade low-tech)
  • China ist in der Region seit Jahren politisch und wirtschaftlich außerordentlich aktiv („Diamantendekade“, „Maritime Seidenstraße“, usw.)
  • die EU ist seit Jahren vor allem mit sich selbst beschäftigt und zeigt zu wenig konkretes Interesse an ASEAN, um von der Dynamik dort ebenfalls zu profitieren: langfristig wird China die Wirtschaftsregeln diktieren, was China zusätzlich zugute kommt (und ein struktureller Faktor wird)
  • die USA unter Trump haben sich handelspolitisch in Asien-Pazifik aus dem Spiel genommen (Ausstieg aus der transpazifischen Partnerschaft)
  • Während der Corona-Pandemie wurde der Handel im ersten Halbjahr kaum eingeschränkt

Warum die EU trotzdem wieder Nummer 1 im Chinahandel werden wird – es aber nicht bleibt

Die Global Times, ein offizielles Online-Medium Chinas, geht jedoch davon aus, dass die EU ihren Spitzenplatz im Chinahandel wieder zurückerobern wird. So sei ASEAN als Wirtschaftsregion immer noch relativ klein. Gu Xiaosong von der Guangxi Academy of Social Sciences meint, dass der wirtschaftlich zwei- bis dreifach so große Wirtschaftsraum der EU den Ausschlag geben wird, wenn die Pandemie überstanden ist. Die EU wird also wieder Nummer 1 im Chinahandel.

Infrastruktur bleibt ein Entwicklungshemmnis

In der Tat wird die ASEAN nicht so schnell wachsen wie etwa China in den Jahrzehnten zuvor, denn es besteht ein riesiger Investitionsbedarf in die Infrastruktur. Diesen deckt selbst die chinesische Investitionsstrategie nicht annähernd ab. Die Asiatische Entwicklungsbank ADB geht in einer Studie aus 2017 davon aus, dass die Infrastruktur in Asien einen Bedarf von $1,7 Billionen pro Jahr bis 2030 hat, nur um die Ziele der Vereinten Nationen bezüglich nachhaltigen Wachstums zu erreichen. Hier müsste auch die EU mit ihrer Asien-Konnektivitätsstrategie ansetzen, auch um bei Wirtschaftsregeln wieder nach vorne zu kommen.

ASEAN-China-Handel-2020: Eine Ausnahme?

Dennoch: langfristig wird ASEAN für China ein wichtigerer Handelspartner sein als die EU, denn die strukturellen Faktoren, die in aktuellen Medienberichten außen vor gelassen werden, geben den Ausschlag.

 

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