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China und die Welt

Die Polare Seidenstraße und die Nordischen Staaten

Polare Seidenstraße – fast mythisch klingende Worte, welche die Vereinigten Staaten und Länder Europas haben aufhorchen lassen. Um was es sich bei der Polaren Seidenstraße handelt, und ob die Länder der europäischen Arktis diese chinesische Vision für die Zukunft der Arktis eher unterstützen oder ablehnen, das wird in dieser Artikelserie erläutert. Nicht nur der hohe Norden, auch China ist von der starken Veränderung des Klimas in der Arktis betroffen. Steigende Temperaturen und weniger Eis bedeuten aber auch wirtschaftliche Chancen, die sowohl die arktischen Staaten als auch China nutzen möchten. Deshalb ist eine konstruktive Zusammenarbeit der nordischen Staaten und China wünschenswert. Doch auf welche gemeinsamen Ziele und Projekte können sich die kleinen, aber reichen demokratischen nordischen Staaten mit dem fernöstlichen autokratischen Riesenreich verständigen?

Ein Leuchturm im hohen europäischen Norden der Barentsee. Wartend auf Schiffe aus China? (Bild: Michelle Maria auf Pixabay)

Hintergrund: Die Neue Seidenstraße

In 2013 ruft der Generalsekretär der Kommunistischen Partei und Präsident Chinas, Xi Jinping (习近平), das Projekt Ein Gürtel, eine Straße (One Belt and Road oder OBOR in Englisch) (yi dai yi lu, 一带一路) aus. Dieses transnationale, Multibillionen US$ schwere Projekt soll Konnektivität auf dem eurasischen Kontinent herstellen. Doch mittlerweile hat die Seidenstraßeninitiative auch die Arktis und das nördliche Polarmeer erreicht. Klimawandel macht es möglich. Denn der weltweite Klimawandel ist besonders heftig in der arktischen Region zu spüren, wie zahlreiche wissenschaftliche Klimastudien herausgefunden haben. 

Xi hat seinerzeit seine Vision einer sowohl strategisch als auch entwicklungspolitisch angelegten Initiative in Kasachstan und Indonesien bei offiziellen Staatsbesuchen vorgestellt. Kasachstan ist ein zentraler Transitstaat für die Landverbindung nach Europa, während Indonesien ein zentraler „Hafen“ für die Maritime Seidenstraße des 21. Jahrhunderts  (21. Century Maritime Silk Road) (21 shijie haishang sizhou zhilu, 21世纪海上丝绸之路) ist. Mittlerweile ist diese Initiative nicht mehr nur auf die eurasische Landmasse und Seewege beschränkt, sondern schließt in diesem Markenbranding alles mit ein, was mit chinesischen Investitionen und Wirtschaftsentwicklung zu tun hat (bis zur „Gesundheitsseidenstraße“ im Corona-Zeitalter). Deshalb wird diese Initiative oft mit dem Marshall-Plan verglichen, der ebenfalls sowohl wirtschaftliche, entwicklungspolitische und strategische Komponenten beinhaltete.

Chinas Arktispolitik und die Polare Seidenstraße

 2018 hat China seine „China’s Arctic Policy“ vorgelegt und auf den offiziellen Webseiten des Staatsrats als auch des Außenministerium veröffentlicht. Das war erstaunlich. Denn die Veröffentlichung einer offiziellen Außenpolitik ist für China ein sehr seltener Vorgang, der vermutlich eher der Bearbeitung und Beruhigung der Addressaten dienen soll. Neben den kleinen nordischen Staaten sind dies Kanada, die USA, sowie Russland, allesamt Mitglieder im Arktischen Rat, dem wichtigsten Forum zur Diskussion arktischer Belange. Nur Länder, die Territorium innerhalb des arktischen Kreises haben, sind legitime Mitglieder im Arktischen Rat. Ein zentraler Knotenpunkt für die Polare Seidenstraße ist die Barentsee. Dort muss ein Tiefseehafen gebaut oder ausgebaut werden, an den eine Bahnverbindung gelegt wird, die durch Finland nach Helsinki führt. Ein Unterseetunnel unter die Ostsee könnte Helsinki mit der Hauptstadt von Estland, Tallinn, verbinden. Über eine Nord-Süd-Verbindung würde dann die Polare Seidenstraße mit der kontinentalen eurasischen Seidenstraße verbunden werden.

Arktischer Kreis und Anrainerstaaten
Arktischer Kreis und Anrainerstaaten (Karte vom CIA Factbook)

Exklusiv in Asienpolitik: Chinas Seidenstraße und Europas Norden

Diese Region hoch im europäischen Norden, wo Norwegen und Russland über ausgedehnte Seerechte verfügen, ist reich an Fisch und Energieresourcen. Strategisch könnte sowohl das russische Murmansk sowie das norwegische Kirkenes einen Anlaufhafen für die Polare Seidenstraße bieten. Jedoch favorisiert China gegenwärtig Kirkenes, aus verschiedenen Gründen. Auch die Europäische Union setzt ihren Schwerpunkt in der Arktispolitik auf die Barentsee.

In dieser Serie beschäftigt sich Asienpolitik nun mit den Positionen der nordischen Staaten zur chinesischen Seidenstraßeninitiative, die durchs arktische Meer nach Europa führen soll. Was sind Chinas Beweggründe, haben die nordischen Staaten kohärente Positionen, und welche Rolle spielt dabei die Europäische Union und Russland?

Zu den nordischen Ländern zählen die skandinavischen Staaten Schweden, Finland, Norwegen, Dänemark sowie Island. Auch Russland, zumindest in seiner arktischen Dimension, zählt manchmal dazu. Das liegt an den ethnographischen Bindungen im russischen Norden zu anderen nordischen Volksgruppen (siehe Karte unten). Auch das baltische Estland zählt sich bisweilen zu den nordischen Staaten.

Die Barentsee – Schlüsselregion für die Polare Seidenstraße. Karte vom Arctic Centre, University of Lapland

Die nordischen Staaten und die Polare Seidenstraße

Während Dänemark, Finland, Schweden, Norwegen und Island im letzten Jahrzehnt stets Befürworter für den Status des Beobachters Chinas im Arktischen Rat waren, so hat sich die Stimmung mittlerweile etwas gedreht. Denn China sieht sich nun als arktische Großmacht (und seit der Aufnahme in den Arktischen Rat 2013 auch als maritime Weltmacht) mit allen Rechten und Pflichten eines permanenten Mitglieds im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. In seinem Weißpapier zur Arktispolitik von 2018 sieht es sich selbst als „nah-arktischer“ Staat. Und dies, obwohl China soweit vom Arktischen Kreis entfernt liegt wie etwa Polen. Peking ruft die arktischen Staaten zur Kooperation unter der Belt and Road Initiative“ auf, will also die Führung in arktischer Kooperation übernehmen. Wie reagieren die nordischen Staaten auf diese starken Töne aus Fernost? Und das angesichts der Bedrohung von Russland, Chinas engstem Verbündeten.

Analyse: China und Europas Norden

In der Serie werden wir die nordisch-chinesische Zusammenarbeit beleuchten und einen Blick auf die wirtschaftlichen Erwartungen Chinas und der nordischen Staaten nehmen, und gegenüber Umweltrisiken abwägen. Des weiteren nehmen wir einen Blick auf die chinesisch-russischen Beziehungen, und welche Bedeutung diese für die nordischen Staaten haben. Ferner wird auch ein Blick auf nordische Identität und Werte gelegt, und wie diese die nordisch-chinesischen Beziehungen beeinflussen könn(t)en. Es wird jeweils ein nordisches Land vorgenommen. Bevor es aber soweit ist, wird im nächsten Beitrag erst einmal die chinesische Arktisstrategie und -Politk untersucht.

 

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